Eröffnung der Chabrol-Filmreihe: La cérémonie / Biester
In seinem 49. Spielfilm, den Chabrol scherzhaft seinen „letzten marxistischen Film“ genannt hat, inszeniert er einen Krimi von Ruth Rendall als Klassenkampf in der Bretagne. Die begüterte Familie Lelièvre stellt Sophie als Hausmädchen ein. Diese freundet sich mit der Postbeamtin Jeanne an, die einen tiefen Groll gegen die Lelièvres hegt. Das Mistrauen der Familie gegenüber Sophie wächst, je intensiver Sophies Beziehung zu Jeanne wird, je stärker beider Vergangenheit und ein wohlgehütetes Geheimnis Sophies in den Vordergrund drängen. Der Film endet in einem Drama mit unsagbar gewalttätigem Schlusspunkt, der nicht durch etwaige Bosheiten der Arbeitgeber, sondern durch die Entdeckung dieses Geheimnisses und die wohlmeinenden Hilfsangebote der Familie herbeigeführt wird. Das Böse, das die beiden „Biester“ verkörpern, ist allerdings unermesslich moralischer als die heuchlerische und hierarchische Gesellschaft, die es angreift.
Einführung: Jürgen John